X. Kein Schadensersatzanspruch der Begünstigten bei gewonnenem „Wettlauf der Erben“:
 

Der Versicherer muss im Todesfall nicht „mit allen Mitteln“ nach dem Begünstigten forschen (Urteil LG Köln vom 01.06.2011 (26 O 282/10) sowie OLG Köln vom 10.01.2012 (20 U 130/11) - Revision zugelassen -).

 

Zum Sachverhalt:

 

Der Versicherungsnehmer hatte seine Ehefrau für den Todesfall begünstigt. Später ließ er sich scheiden und heiratete erneut, ohne die Begünstigung zu ändern. Nach seinem Tod versuchte der Versicherer (mittels Einwohnermeldeamtsanfrage) vergeblich, die Ex-Ehefrau als Begünstigte ausfindig zu machen. Schließlich befragte er die Witwe als Alleinerbin. Anstelle einer Antwort schaltete diese einen Rechtsanwalt ein; dieser tat das einzig Richtige:

 

Er widerrief das Schenkungsangebot und untersagte dem Versicherer, es posthum der Begünstigten zu übermitteln, um auf diese Weise das Zustandekommen eines wirksamen Schenkungsvertrages als Grundlage der Begünstigung zu vereiteln (sog. Wettlauf der Erben).

 

Hiervon erfuhr die Begünstigte, verlangte nunmehr ihrerseits Auszahlung der Versicherungsleistung und warf dem Versicherer vor, nach dem Tod des Versicherungsnehmers nicht alles unternommen zu haben, um ihren Aufenthaltsort bzw. ihre Wohnanschrift zu ermitteln. Dabei hatte sie inzwischen ihren Mädchennamen wieder angenommen und erneut geheiratet, so dass das Einwohnermeldeamt die Anschriftenanfrage des Versicherers aus diesem Grund negativ beantwortete.

 

Um sich nicht dem Risiko der Doppelzahlung auszusetzen, hinterlegte der Versicherer die Versicherungsleistung beim zuständigen Gericht. Im Prozess auf Freigabe des hinterlegten Betrages bekam die Alleinerbin Recht und erhielt aufgrund des gewonnenen „Wettlaufs der Erben“ die hinterlegte Versicherungsleistung.

 

Die unterlegene Begünstigte verlangt nun Schadensersatz von dem Versicherer wegen der verzögerten Auszahlung ihr gegenüber. Sie argumentiert: Wenn der Versicherer alles unternommen hätte, um ihre Adresse rechtzeitig ausfindig zu machen, wäre die Auszahlung erfolgt, bevor die Antragstellerin das Schenkungsangebot gegenüber dem Versicherer hätte widerrufen können.

 

Weder vor dem Landgericht noch vor dem Oberlandesgericht Köln hatte sie Erfolg.

 

Der Versicherer sei ihr gegenüber aus einem Vertrag zugunsten Dritter verpflichtet gewesen, alle Quellen (z.B. über facebook o.ä.) auszuschöpfen, um so die rechtzeitige Auszahlung der Versicherungsleistung sicher zu stellen. Mit dieser Begründung erhob sie Klage vor dem Landgericht Köln.

 

Aus den Urteilsgründen des LG Köln:

 

Wenn der Versicherungsnehmer für den Todesfall eine Begünstigung erklärt, so liegt dieser in der Regel im sog. Valutaverhältnis eine Schenkung zugrunde. Zur Wirksamkeit bedarf diese allerdings der notariellen Beurkundung, solange sie nicht „vollzogen“ ist. Im Todesfall erstarke das bis dahin nur widerrufliche Bezugsrecht zum unentziehbaren Anspruch auf die Versicherungsleistung. Damit sei ein Vollzug der Schenkung anzunehmen, sobald der Versicherer dem Begünstigten posthum das notwendige Schenkungsangebot des (verstorbenen) Versicherungsnehmers übermittle und dieser es konkludent annehme, indem er die Auszahlung der Versicherungsleistung an sich verlangt.

 

Bis dahin könne der Erbe die Schenkung noch vereiteln, indem er vor der Übermittlung an den Begünstigten seinerseits dem Versicherer untersagt, an den Begünstigten diesbezüglich noch heranzutreten und damit den Wettlauf gewinnt.

 

Der Versicherer habe in diesem Zusammenhang zwar Botendienste im Auftrag des Versicherungsnehmers nach dessen Tod zu erbringen (dies sei der Begünstigungsklärung immanent). Es genüge jedoch, wenn er z.B. beim Einwohnermeldeamt anfrage, ob dort die aktuelle Wohnanschrift der Begünstigten bekannt sei bzw. wenn er auf andere Weise versucht habe, die Begünstigte ausfindig zu machen.

 

Scheitern diese Bemühungen und gewinnt deswegen der Erbe den Wettlauf, hafte der Versicherer dem Begünstigten gegenüber nicht auf Schadensersatz.

 

Das OLG Köln hat ergänzend ausgeführt:

 

„… Die Anforderungen an die Bemühungen des Versicherers bei der Erfüllung des Auftrages zur Übermittlung des Schenkungsangebotes an den Begünstigten dürfen nicht überspannt werden. Falls dieser verpflichtet ist, das Schenkungsangebot nach Eintritt des Versicherungsfalles an den Begünstigten zu erbringen, wird zwar zu erwarten sein, dass sich der Versicherer über das Vorliegen einer Bezugsberechtigung informieren wird, um diese sodann dem Begünstigten mitzuteilen. Eine solche Übermittlungspflicht kann jedoch keine unzumutbaren Anforderungen an den Versicherer stellen. Im Regelfall ist die Anspruchsberechtigung anhand der Vertragsunterlagen leicht feststellbar, da in diesen der Begünstigte bezeichnet wird. Stößt der Versicherer hingegen bei der Übermittlung des Schenkungsangebotes auf Schwierigkeiten, muss dessen Interesse daran berücksichtigt werden, nicht in für ihn unüberschaubare Interna des Versicherungsnehmers, von dessen Erben und des Begünstigten involviert zu werden. Andernfalls bestünde für den Versicherer die Gefahr, bei der Wahrnehmung seiner Übermittlungspflicht einer Interessenkollision ausgesetzt zu sein und entweder von dem Begünstigten oder von dem Erben auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Gemessen hieran, ist nicht zu erwarten, dass der Versicherer, dem die Übermittlung des Schenkungsangebotes misslingt, weil das entsprechende Anschreiben als unzustellbar in Rücklauf gerät, selbst in größerem Umfang ermittelnd tätig wird, um seinem Übermittlungsauftrag nachzukommen. Wenn der Versicherer eine Auskunft des Einwohnermeldeamtes einholt und versucht, unter der sich aus dieser Auskunft ergebenden Adresse dem Begünstigten seine Bezugsberechtigung mitzuteilen, ist den an ihn zu stellenden Anforderungen Genüge getan …“

 

Ob das Urteil rechtskräftig wird, bleibt abzuwarten. Das OLG Köln hat die Revision zugelassen.

 

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