II. Peinliche Gesundheitsangaben zu einer Berufsunfähigkeits-zusatzversicherung kann und muss der Versicherte dem Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherer bei Antragstellung unmittelbar schriftlich mitteilen, wenn er sie mündlich dem Agenten nicht offenbaren möchte.

 

Litt der Versicherte vor Antragstellung an einer psychischen Störung und befand er sich deswegen zeitweise sogar im Landeskrankenhaus, so kann er sich gegenüber dem Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherer, dem er die Vorerkrankung im Versicherungsantrag verschwiegen hat und der daraufhin vom Versicherungsvertrag zurückgetreten ist und diesen wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei ihm persönlich peinlich gewesen, den Umstand gegenüber dem Agenten (seinem Vorgesetzten im nebenberuflichen Vermittlervertrieb) mündlich zu erwähnen. Er habe die Umstände deshalb aus Scham verschwiegen und den Berufsunfähigkeitsversicherer nicht arglistig täuschen wollen. Nach der Belehrung im Antragsformular genüge es nämlich, wenn der Versicherte in einem solchen Fall dem Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherer die entsprechend vervollständigte Gesundheitserklärung nachträglich unmittelbar schriftlich zukommen lasse und dieses dem Agenten gegenüber mündlich ankündige. Unterlasse er dies, handele er arglistig. 

 

So hat es das Landgericht Göttingen in seinem Urteil vom 17.03.2010 (8 O 328/08) entschieden.

 

Die Klägerin hatte bei dem beklagten Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherer im Jahre 2004 eine kombinierte Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. Sie war zu jenem Zeitpunkt zusätzlich als nebenberufliche Vermittlerin für die Beklagte tätig, hatte den Versicherungsantrag allerdings im Beisein eines Hauptvertreters, dem sie nur zuarbeitete, gestellt.

 

Hierbei berichtete sie mündlich über eine „Mobbing-Situation an ihrem ehemaligen Arbeitsplatz mit einer Krankschreibung“, die jedoch nach Wechsel des Arbeitgebers überwunden sei.

 

Vom tatsächlichen Umfang der psychischen Störung (lang andauernde Krankschreibung, zeitweiser Aufenthalt im LKH) erzählte sie dem Hauptvertreter demgegenüber nichts, weil es ihr peinlich war, im Beisein eines Berufskollegen darüber zu sprechen.

 

Der Hauptvertreter fragte auch nicht weiter nach, sondern verneinte die im Versicherungsantrag enthaltene Gesundheitsfrage nach „Behandlungen, Beratungen, Operationen oder Untersuchungen in den letzten 5 Jahren vor Antragstellung u.a. wegen Erkrankungen der Nerven und Psyche“.

 

Das Landgericht Göttingen sah in dieser Situation den Arglistnachweis seitens des Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherers als geführt an und stellte im Urteil hierzu fest:

 

„… Die Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag vom … wurden sämtlichst verneint und damit gegenüber der Beklagten objektiv falsche Angaben gemacht und diese auch arglistig getäuscht. Hierbei ist es nicht relevant, ob aufgrund der Stellung der Klägerin als nebenberufliche Vermittlerin die Grundsätze der Auge- und Ohr- Rechtsprechung eventuell überhaupt nicht anwendbar sind, wie es das Hanseatische Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 20.08.2007 (9 U 106/07) angenommen hat. Nach dieser Entscheidung soll dem Antragsteller schon die Berufung auf eine Wissenszurechnung dann versagt sein, wenn er die Versicherung nicht nur als künftiger VN beantragt, sondern zugleich als nebenberuflicher Versicherungsvertreter fungiert. … Selbst wenn die Grundsätze der Auge- und Ohr- Rechtsprechung angewendet werden, hat die Beklagte den Vertrag wirksam angefochten. Vorliegend steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin gegenüber dem Versicherungsagenten … unrichtige Angaben bei Beantwortung der Gesundheitsfragen gemacht und die Beklagte arglistig getäuscht hat. … Gegenüber dem Zeugen … hat die Klägerin lediglich erwähnt, dass sie an ihrem alten Arbeitsplatz einer Mobbing- Situation ausgesetzt gewesen sei und es auch eine Krankschreibung gegeben hätte … Die Klägerin hat hierbei den mehrwöchigen stationären Aufenthalt im LKH und den Umfang der gesundheitlichen Auswirkungen des Mobbings gegenüber der Beklagten verschwiegen … Die Klägerin vermag es nicht zu entlasten, dass sie nach eigenen Angaben aus Scham den stationären Aufenthalt in der Psychiatrie und das genaue Ausmaß der Depression nicht gegenüber dem Versicherungsagenten dartun wollte, da sie mit diesem engen beruflichen Kontakt hatte und man sich gut kannte. Auf Blatt 3 des Antragsformulars ist über den Gesundheitsfragen ausdrücklich für den Versicherungsnehmer die Möglichkeit aufgeführt, Angaben, die er gegenüber dem Vermittler nicht machen möchte, nachträglich schriftlich an die Beklagte zu übermitteln. Von dieser Möglichkeit, die es erlaubt hätte die Angaben zu machen, ohne sich gegenüber dem Zeugen offenbaren zu müssen, hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht …“

 

Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Derzeit läuft das Berufungsverfahren vor dem OLG Braunschweig: Über den Fortgang des Verfahrens wird zu gegebener Zeit berichtet werden.

 

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