VIII. Kulanzzahlung aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung anstelle der Abgabe eines eigentlich gebotenen Leistungsaner-kenntnisses führt zur Fort-dauer der Leistungspflicht.

 

Erbringt ein Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherer vorgebliche Kulanzleistungen, anstatt ein bedingungsgemäß gebotenes Anerkenntnis abzugeben, so verstößt eine solche Vereinbarung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Nach Ablauf der Leistungspflicht wäre nämlich der Versicherungsnehmer verpflichtet, seine Berufsunfähigkeit ab dem Zeitpunkt der erneuten Antragstellung zu beweisen. Dies hätte eine Verschiebung der Prüfung des Eintritts des Versicherungsfalles auf einen späteren Zeitpunkt zur Folge und stellt eine erhebliche Benachteiligung für den Versicherungsnehmer dar, der sich mit den Darlegungs- und Beweislastregelungen im Allgemeinen nicht auskennt. Der Bundesgerichtshof nimmt einen Verstoß gegen Treu und Glauben regelmäßig an, wenn die nach dem Vertrag bestehende Rechtslage durch eine Vereinbarung zum Nachteil des Versicherungsnehmers geändert und seine Rechtsposition dadurch verschlechtert wird (BGH- Urteil vom 28.02.2007 – IV ZR 46/06). Die Beklagte habe vorliegend durch ihr Angebot einer befristeten Kulanzzahlung die eigentliche Prüfung der Berufsunfähigkeit hinausgeschoben, um so die Bindungswirkung eines gebotenen Anerkenntnisses zu unterlaufen. Das Landgericht Göttingen hat daraufhin mit Urteil vom 07.05.2009 (8 O 201/07) den beklagten Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherer zu weiteren Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung an den Kläger verurteilt und darauf abgestellt, dass der Kläger spätestens seit 2003 (dem Zeitpunkt der erbrachten Kulanzleistung) zu mindestens 50 % berufsunfähig gewesen sei.

 

Der dortige Kläger unterhält bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Er war als gelernter Industriekaufmann zuletzt als Angebotskalkulator tätig und litt spätestens seit 2003 an schweren chronischen Depressionen.

 

Die Beklagte hatte daraufhin zunächst für einen Zeitraum von mehr als 2 Jahren Kulanzleistungen erbracht, den Kläger im Anschluss im Jahre 2006 auf ihre Kosten begutachten lassen. Nach dem Ergebnis des von der Beklagten eingeholten Sachverständigengutachtens lehnte sie weitere Leistungen dem Kläger gegenüber ab, da dieser nicht mehr zu mindestens 50 % berufsunfähig sei.

 

Die Regeln des Nachprüfungsverfahrens hielt sie bei dieser Mitteilung nicht ein.

 

In dem anschließenden Rechtsstreit vor dem Landgericht Göttingen wurde durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten festgestellt, dass der Kläger spätestens seit 2003 zu mindestens 50 % berufsunfähig war und auch weiterhin an einer schweren chronischen Depression litt.

 

Das Gericht hat daraufhin der Klage stattgegeben.

 

Die von der Beklagten als solche deklarierte Kulanzleistung sei nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Eine individuelle Vereinbarung zwischen dem Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherer und dem Versicherungsnehmer müsste hierbei deutlich zum Ausdruck bringen, dass die angekündigte Leistung eigentlich abgelehnt werden soll und ausschließlich kulanzhalber erfolge. Rechtlich seine eine solche Leistungszusage als Ablehnung des Rentenzahlungsbegehrens in dem Sinne zu werten, dass der Versicherer den bedingungsgemäßen Eintritt der Berufsunfähigkeit als nicht gegeben ansehe. Demgegenüber habe die Beklagte dem Kläger ein Leistungsangebot für mehr als 2 Jahre mit der Begründung unterbreitet, es bestünden gute Aussichten, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers in dieser Zeit verbessern würde. Aus diesem Grund habe die Beklagte auf ihr Recht, einen Verweisungsberuf in Erwägung zu ziehen, verzichtet. Dies allein reiche nicht aus, um im vorliegenden Fall eine individuelle Vereinbarung ohne ein Anerkenntnis anzunehmen. Dass die Beklagte in ihrem Schreiben von möglichen Besserungsaussichten im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Klägers ausgehe, könne nur so ausgelegt werden, dass sie jedenfalls zu diesem Zeitpunkt eine Berufsunfähigkeit für gegeben hielt. Die Beklagte habe mithin durch ihr Angebot einer befristeten Kulanzzahlung die eigentliche Prüfung der Berufsunfähigkeit hinausgeschoben, um so die Bindungswirkung eines gebotenen Anerkenntnisses zu unterlaufen. War die Beklagte jedoch ab einem bestimmten Zeitpunkt nach den Versicherungsbedingungen leistungspflichtig, so wäre es ihre Sache gewesen, gegebenenfalls nach den Regeln des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 7 BBUZ zu beweisen, dass sich der klägerische Gesundheitszustand wieder derart verbessert hat, dass dies von Bedeutung wird für die Frage einer unveränderten Fortdauer der Leistungspflicht. Es könne den Versicherer somit nicht freistellen von den Regeln, die er selbst in § 7 BBUZ für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit aufgestellt hat, wenn er ein der Sache nach gebotenes Anerkenntnis nicht abgegeben habe (BGH VersR 1997, Seite 436 ff.).

 

Die Kammer war danach überzeugt, dass der Kläger spätestens seit 2003 zu mindestens 50 % berufsunfähig war und eine Manifestation der Erkrankung mit chronischem Verlauf eingetreten ist. Die Beklagte habe deshalb ihre Leistungspflicht eigentlich anerkennen müssen. Da sie im laufenden Rechtsstreit jedenfalls eine gesundheitliche Verbesserung beim Kläger nicht hat nachweisen können (im Gegenteil bei dem Kläger derzeit eher eine Verschlechterung eingetreten sei), bestünde auch weiterhin eine Leistungspflicht der Beklagten. Das Urteil ist mit dieser Begründung rechtskräftig geworden.

 

Die Beklagte erbringt daraufhin auch weiterhin an den Kläger die versicherten Leistungen.

 

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