I. Telefonische Erkundigung beim Lebens- und Berufsunfähigkeits-versicherer was im Versicherungsantrag zu den Gesundheitsfragen anzugeben ist, kann für Arglist sprechen.

 

Ist sich ein Versicherungsnehmer bei der Ausfüllung eines Antragsformulares nicht sicher, wie er die Gesundheitsfragen beantworten soll (dort war u.a. nach „Gemütsleiden“ und „Erkrankungen / Beschwerden des Bewegungsapparates“ gefragt) und erkundigt er sich deshalb telefonisch beim zuständigen Sachbearbeiter des Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherers, verneint die Fragen dann allerdings im Anschluss objektiv wahrheitswidrig und beruft sich auf eine angebliche Auskunft des Sachbearbeiters, wonach es genüge, den Hausarzt anzugeben, so handelt der Versicherungsnehmer arglistig, wenn sich in der anschließenden Beweisaufnahme vor Gericht herausstellt, dass der Sachbearbeiter eine derartige Telefonauskunft nicht erteilt haben kann.

 

Das hat das Landgericht Flensburg in einem Urteil vom 01.04.2010 (8 O 286/09) entschieden.

 

Die Klägerin hatte bei dem beklagten Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherer im Jahre 2001 eine Lebensversicherung in Kombination mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. Im Rahmen der Gesundheitsangaben im Bezug auf die Person der Klägerin galt es u.a. die Frage zu beantworten, ob die Klägerin innerhalb der letzten 10 Jahre ärztlich behandelt oder untersucht worden ist wegen Erkrankungen oder Beschwerden „des Bewegungsapparates“, Erkrankungen des Nervensystems oder Gemütsleiden und wegen Unfällen oder Verletzungen.

 

Die Frage nach Erkrankungen des Nervensystems oder der Gemütsleiden sowie nach Erkrankungen oder Beschwerden des Bewegungsapparates verneinte die Klägerin nachdem sie mit der Beklagten telefonisch Rücksprache gehalten hatte; hinsichtlich der Unfälle und Verletzungen gab sie einen im Juli 1998 erlittenen Bruch des kleinen Fingers der linken Hand an, der vollständig ausgeheilt war. Ferner benannte die Klägerin ihren Hausarzt. Im Jahre 2009 zeigte die Klägerin der Beklagten ihre Berufsunfähigkeit an, weil sie als Postzustellerin arbeitsunfähig krankgeschrieben und wegen Postbeschäftigungsunfähigkeit von der Deutschen Post verrentet worden war.

 

Die Beklagte versagte den Versicherungsschutz und focht die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wegen arglistiger Täuschung an.

 

Die Beklagte hatte nämlich im Rahmen ihrer Ermittlungen nach Eingang des Leistungsantrages festgestellt, dass die Klägerin kurz vor Antragstellung wegen vorübergehender beruflicher Probleme an einer ärztlich behandelten Angststörung litt sowie seit Jahren wegen eines Schulter-Arm-Syndroms (Nackenverspannungen) Massagen etc. ärztlich verordnet bekommen hatte.

 

Die Klägerin hatte sich dahingehend eingelassen, dass sie die verschwiegenen Umstände nicht als „Gemütsleiden“ bzw. „Beschwerden des Bewegungsapparates“ eingestuft und sich diesbezüglich eigens durch ein Telefonat beim zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten vor Ausfüllung der Gesundheitsfragen erkundigt habe.

 

Hier habe man ihr die Auskunft erteilt, bei Unklarheiten genüge es, den Hausarzt im Versicherungsantrag anzugeben.

 

Darauf habe sich die Klägerin verlassen und deshalb die Gesundheitsfragen – so wie sie sie verstanden habe – verneint.

 

Das Landgericht Flensburg hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass die Beklagte die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu Recht wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Voraussetzung eines arglistigen Verhaltens der Klägerin sei zwar, dass diese wusste oder jedenfalls damit rechnete und es billigend in Kauf nahm, dass sie unzutreffende Angaben zu den Gesundheitsfragen gemacht hat. Gerade in diesem Zusammenhang spiele jedoch der getätigte Anruf bei dem Berufsunfähigkeitsversicherer eine Rolle. Danach sei die Klägerin nämlich nach ihrem eigenen Vortrag zumindest unsicher gewesen, ob sie wegen ihrer Vorerkrankungen die Gesundheitsfragen nach Gemütsleiden und Beschwerden des Bewegungsapparates nicht doch habe bejahen müssen. Sie habe es somit für möglich gehalten, dass sie diese Gesundheitsfragen wegen ihres Krankheitsbildes zu bejahen hatte, da sich andernfalls für sie kein Anlass ergeben hätte, eine telefonische Rückfrage bei der Beklagten als Berufsunfähigkeitszusatzversicherer vorzunehmen.

 

Da sich zugleich in der Beweisaufnahme die behauptete Auskunft der Sachbearbeiterin, es genüge, im Versicherungsantrag den Hausarzt anzugeben, nicht zur Überzeugung des Gerichts bestätigt hatte, habe die Klägerin es jedenfalls für möglich erachtet, die im Antrag enthaltenen Gesundheitsfragen wegen ihres Krankheitsbildes bejahen zu müssen; wenn sie sie dennoch verneinte, habe sie jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt.

 

Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.

 

Das Schleswig Holsteinische Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss nach § 522 ZPO zurückgewiesen und die Wirksamkeit der Arglistanfechtung unter Bezugnahme auf die vom Landgericht Flensburg angeführten Gründe bestätigt.

 

Hinzugefügt hat das Oberlandesgericht noch, dass es für den Täuschungsvorsatz des Versicherungsnehmers „auf ärztliche Diagnosestellungen und deren Kenntnis nur dort ankomme, wo der Versicherungsnehmer nicht bereits von sich aus vom Vorliegen eines krankhaften Befundes ausgehen könne (z.B. indem der behandelnde Arzt dem Patienten gezielt nicht den Eindruck einer psychischen Erkrankung vermittelt habe) oder dort, wo es darum geht, ob die schriftlichen Angaben zur Kenntnis des Versicherungsnehmers den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen (z.B. indem der Versicherungsnehmer Wirbelblockierungen als bloße Verspannungen angegeben hatte).

 

Das OLG Oldenburg hat in der Berufungsinstanz zwar zusätzlich noch den behandelnden Psychiater zu den der Klägerin mitgeteilten Diagnosen bzw. zur Aufklärung über die verordneten Medikamente vernommen, sowie den Agenten über die mündlichen Angaben der Klägerin bei der Antragstellung, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin ihre psychischen Probleme als solche erkannt und der Beklagten in Täuschungsabsicht verschwiegen hat, wobei der behandelnde Facharzt ihr laienhaft das Krankheitsbild und die Notwendigkeit der Medikamenteneinnahme erläutert habe.

 

Auch nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts ist der Versicherungsnehmerin letztlich zum Verhängnis geworden, dass sie bei der Versicherung angerufen hatte, um damit letztlich zu erkunden, ob die gesundheitliche Vorgeschichte „wirklich angegeben werden müsse“.

 

Damit und durch das anschließende Verschweigen habe sie letztlich ihre Arglist dokumentiert.

 

Das Urteil des Landgerichts Flensburg ist somit rechtskräftig geworden.

 

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