III. Zur Insolvenzfestigkeit der Direktversicherung eines Gesell-schafter-Geschäftsführers (GGF):

 

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF), der lediglich zu 50 % am Gesellschaftsvermögen der GmbH beteiligt ist, behält seine Ansprüche aus einer Direktversicherung grundsätzlich auch in der Insolvenz des Unternehmens.

 

Die Klägerin war Gesellschafter-Geschäftsführerin der X-GmbH und zu genau 50 % an deren Gesellschaftskapital beteiligt. Nach ihrem Anstellungsvertrag hatte sie Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung. In Erfüllung dieser Verbindlichkeit schloss die X-GmbH mit dem beklagten Lebensversicherer eine Direktversicherung zugunsten der Klägerin ab und räumte dieser ein unwiderrufliches Bezugsrecht unter den nachstehenden Vorbehalten ein. Danach sollte dem Arbeitgeber das Recht vorbehalten bleiben, alle Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles endet, es sei denn, die versicherte Person hat das 35. Lebensjahr vollendet, die Versicherung hat 10 Jahre bestanden oder die versicherte Person hat das 35. Lebensjahr vollendet und das Arbeitsverhältnis hat 12 Jahre und die Versicherung 3 Jahre bestanden. Über das Vermögen der Versicherungsnehmerin wurde im Jahre 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der beklagte Lebensversicherer zahlte den Rückkaufswert an den Insolvenzverwalter aus. Die Klägerin war der Ansicht, der beklagte Lebensversicherer sei durch Zahlung an den Insolvenzverwalter nicht von seiner Pflicht aus dem Lebensversicherungsvertrag befreit worden, da das unwiderrufliche Bezugsrecht aufgrund des insolvenzbedingten Ausscheidens der Klägerin nicht erloschen sei.

 

Das Landgericht Göttingen hat in einem Urteil vom 28.01.2010 (8 O 10/09) der Klägerin Recht gegeben und zur Begründung ausgeführt:

 

„… Die Beklagte ist durch die Auszahlung des Rückkaufswertes der Lebensversicherung an den Insolvenzverwalter von ihrer Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag nicht befreit worden, da der Insolvenzverwalter keinen Anspruch auf den ausgezahlten Rückkaufswert hatte … Unstreitig hat die Klägerin zwar noch keine unverfallbaren Ansprüche nach der unterzeichneten Zusatzerklärung erworben. … Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH- Urteil vom 08.06.2005 – IV ZR 30/04) ist jedoch davon auszugehen, dass in der Insolvenz des Arbeitsgebers das Bezugsrecht zum Vermögen des Bezugsberechtigten gehört, insbesondere dann, wenn der Zweck des Vorbehaltes (nämlich die Betriebstreue) endgültig weggefallen ist oder seine Voraussetzungen nicht mehr eintreten können. … Da die X-GmbH vorliegend ihren Betrieb insolvenzbedingt eingestellt hat und somit auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin insolvenzbedingt beendet wurde, gilt der Vorbehalt, unter den das Bezugsrecht gestellt worden ist, nicht. Der Umstand, dass die Klägerin Gesellschafter-Geschäftsführerin war, ändert daran nichts. Zwar gilt der Grundsatz, dass ein Vorbehalt, unter den ein eigentlich unwiderrufliches Bezugsrecht gestellt worden ist, nicht im Fall einer insolvenzbedingten Beendigung des Dienstverhältnisses eingreift, nicht für geschäftsführende Gesellschafter, wenn sie wie ein Unternehmer anzusehen sind. Dies ergibt sich aus dem Schutzzweck des Betriebsrentengesetzes, das wesentlich auf das Leitbild eines wirtschaftlich abhängigen und deshalb besonders schutzwürdigen Arbeitnehmers ausgerichtet ist. … Die Klägerin ist vorliegend indes nicht als Mehrheitsgesellschafterin (Unternehmerin) anzusehen, da sie lediglich zu 50 % und damit zu gleichen Anteilen wie die andere Gesellschafterin auch an der Gesellschaft beteiligt ist. Von einer überwiegend alleinigen Entscheidungsbefugnis ist nach dem Gesellschafts- und Anstellungsvertrag mit der X-GmbH nicht auszugehen. Die Klägerin ist daher nicht einem Unternehmer, sondern einem Arbeitnehmer ähnlich, mit der Folge der Insolvenzfestigkeit ihrer Versorgungsansprüche. Der Rückkaufswert hätte somit nicht an den Insolvenzverwalter ausgezahlt werden dürfen …“

 

Die weitere Folge war allerdings, dass nicht etwa der Rückkaufswert (noch einmal) an die Klägerin ausgezahlt werden darf, sondern wegen des in § 2 Abs. 2 Satz 4 und 5 BetrAVG gleichzeitig bestehenden Verfügungsverbotes die Direktversicherung bis zum Ablauf zugunsten der Klägerin bei der Beklagten beitragsfrei fortgeführt werden muss. Erst bei Ablauf der Versicherung kann die Klägerin deshalb die Versicherungsleistung an sich ausgezahlt erhalten.

 

Das Urteil des Landgerichts Göttingen ist zwischenzeitlich rechtskräftig und ein erstes Grundsatzurteil zu der Frage, ob ein genau zu 50 % am Gesellschaftsvermögen beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer ein insolvenzfestes Bezugsrecht aus der Direktversicherung besitzen kann.

 

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